Die steigende Komplexität und die Dynamik der Märkte erfordern immer öfter ein sofortiges Reagieren auf neue komplexe Fragen. Um den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern, dürfen Unternehmen nicht nur reagieren: Das Controlling sollte – vielmehr muss – mögliche Auswirkungen kommender Ereignisse schon heute kennen, um Maßnahmen für morgen agil zu definieren und auszusteuern.
Der Begriff Controlling beinhaltet ökonomische Prozesse der Analyse, Kontrolle, Planung, Steuerung und Koordination eines Unternehmens. Die Ausprägung des jeweiligen Teilbereichs und der Schwerpunkt des Controllings sind dabei individuell und bei jedem Unternehmen unterschiedlich. Controlling ist demnach ein umfassender Begriff, der verschiedene betriebswirtschaftliche Maßnahmen involviert.
Unternehmenssteuerung – Kernaufgabe des Controllings
Die Unternehmenssteuerung, auch unter den Begriffen Corporate Enterprise oder Enterprise Performance Management bekannt, ist zentral für das Funktionieren einer Firma – hier laufen alle zahlengetriebenen Management-Fäden zusammen. Sie ist zentrales Instrument und die Kernaufgabe des Controllings. Im Rahmen der Unternehmenssteuerung werden sowohl die Zielerreichung bezogen auf Finanzkennzahlen getrackt als auch mögliche Maßnahmen dafür abgeleitet. Ziel ist es, die operativen Maßnahnamen effizient zu optimieren, um auf die Unternehmensziele einzuzahlen. Dabei wird disziplinübergreifend gedacht; alle Unternehmensbereiche sollen idealerweise in die Steuerungsprozesse einbezogen werden. Ob Produktion, Logistik, Personalwesen oder Vertrieb – sämtliche Abteilungen werden bei der Planung und Steuerung eines Unternehmens berücksichtigt.
Unternehmenssteuerung findet in den verschiedensten Prozessen der Betriebswirtschaft statt. Sie umfasst die Unternehmensplanung, zu der operative, taktische und strategische Planung gehören. Angesichts des zunehmend unsicheren und komplexen Marktumfelds, das Schnelligkeit und Flexibilität erfordert, sind diese Teilgebiete auf neue Methoden und Tools angewiesen, um Erfolge verbuchen und sich weiterentwickeln zu können. Logistikcontrolling, Personalcontrolling, Finanzcontrolling, IT-Controlling oder Investitionscontrolling sind nur einige Beispiele für die Bereiche, in denen Planung und Koordination eine hohe Bedeutung haben und für die neue Herangehensweisen und Software-Lösungen zu einer wachsenden Effizienz führen können. Eine zunehmende Bedeutung hat zusätzlich das Nachhaltigkeitscontrolling, das auch Green Controlling genannt wird. Nicht zuletzt durch den steigenden gesellschaftlichen und folglich politischen Druck wird Nachhaltigkeit in sämtlichen Unternehmensbereichen relevanter und kommt als zentraler Bestandteil in der Strategie zunehmend an. Die Ansätze in der Steuerung sind bereits fortgeschritten, der Fokus wird jedoch auf das Reporting gelegt. In Zukunft kommt es darauf an, die Nachhaltigkeitssteuerung noch stärker in die gesamte finanzielle Steuerung zu integrieren. Der Finanz- und Controlling-Bereich wird hier eine führende Rolle spielen.
Neue Anforderungen an die Unternehmenssteuerung
Neben dem Anspruch an Nachhaltigkeit gibt es noch viele weitere Faktoren, die Mittelständler und Großkonzerne in der heutigen Zeit berücksichtigen müssen, um sich zukunftssicher aufzustellen. In der viel zitierten VUCA-Welt sind Unternehmen großen Schwankungen unterworfen. Das Akronym VUCA steht für die englischen Begriffe Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Der Ausdruck beschreibt das komplexe Marktumfeld, auf das sich Unternehmen zur aktuellen Zeit einstellen müssen. Ereignisse wie die Covid-19 Pandemie und der fortschreitende Klimawandel zeigen die Unbeständigkeit der Welt und begründen die Wichtigkeit, auf unerwartete Ereignisse reagieren können zu müssen. Das Wachstum ist nicht so linear wie früher. Die Digitalisierung führt zu Unsicherheiten und Veränderungsdruck. Kurz: Komplexe Entscheidungen sind zu treffen, immer häufiger ad hoc. Das muss auch im Controlling abgebildet werden, um den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern.
Agile Unternehmenssteuerung als Antwort auf die neue VUCA-Welt
Wie schafft es Unternehmenssteuerung den komplexen Anforderungen der VUCA-Welt gerecht zu werden? Ganz einfach: Indem sie agil wird. Agilität ist ein Begriff, der sich in der Theorie vielversprechend anhört und dessen Umsetzung ein neues Denken erfordert. Agilität kann durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Planung und Steuerung erreicht werden. Langwierige und statische Planung wird bei der agilen Unternehmenssteuerung nicht mehr benötigt und die dynamische und strategische Planung wird weiterentwickelt und vermehrt eingesetzt. Durch Agilität und weitere Maßnahmen kann Unternehmenssteuerung auch in einem herausfordernden Umfeld erfolgreich umgesetzt werden.
Die strategische Planung hat dabei zunehmend Steuerungscharakter und kann flexibler auf kurzfristig auftretende Situationen reagieren. Wie agiles Enterprise Performance Management aussehen kann, wird hier am Beispiel eines Callcenters erläutert. Bei der agilen Unternehmenssteuerung werden darüber hinaus schon vorhandene Daten zur Fortschreibung von künftigen Prozessen genutzt und nicht, wie so oft praktiziert, ausschließlich notiert und analysiert. Datennutzung kann demnach innovativ gestaltet werden.
Unternehmerische Prognosen werden außerdem optimiert, um passende Aussagen über künftige Geschehnisse treffen und so strategische Planung und Steuerung flexibel anpassen zu können. Um diesen Anforderungen zu genügen, gibt es im Controlling einige neue Tools und Methoden, die genau auf diese Bedürfnisse eingehen und so helfen, Prozesse der Unternehmenssteuerung zu optimieren. Wie digitale Steuerung in volatilen Zeiten aussehen kann, wird in unserem MHP-Interview und DeepDive umfassend erklärt.
Methoden und Tools der agilen Unternehmenssteuerung
Schnelligkeit, Flexibilität und Agilität – drei zentrale Stärken, die agile Unternehmenssteuerung mitbringt, um für mehr Zukunftssicherheit zu sorgen. Mittelfristige oder langfristige Planung, beispielsweise für ein, fünf oder mehrere Jahre sind dabei nach wie vor sehr relevant. Kurzfristige Planung wird im aktuellen Controlling häufig von operativer Steuerung abgelöst, da Entscheidungen schnell und flexibel getroffen werden können, kurzfristige Reaktionen möglich sind und es so weniger Planungsprozesse braucht. Essenziell für agile Planung ist das Prinzip der Top-Down Planung, das die Button-Up Planung ablöst. Die Planung wird nicht mehr von den Kostenstellen aus geleitet, sondern passiert unternehmens- und bereichsübergreifend. Dadurch verliert sich die Koordination von Budgets nicht in Details, sondern schafft eine allgemeine Strategie, durch die weniger Aufwand nötig ist und die Qualität der strategischen Planung trotzdem bestehen bleibt. Weitere Informationen über neue Prozesse der Budgetierung gibt es in unserem Artikel zum Beyond Budgeting.
Treiberbasierte Planung mit Szenario-Simulation: Annahmen über die Zukunft auf Knopfdruck treffen
Um Vorhersagen in Unternehmen besser, schneller und sicherer treffen zu können, ist die Ad hoc Simulation unterschiedlicher Zukunftsszenarien von zentraler Bedeutung. Durch die Möglichkeit, spezifische Szenarien in Sekundenschnelle abzubilden, können beispielsweise Finanzszenarien flexibel durchgespielt und so Entscheidungen leichter getroffen werden.
Für die Durchführung von Simulationen werden Werttreibermodelle gebildet, die die wichtigsten Treiber für das jeweilige Unternehmen beinhalten. Auf Basis dieser Treibermodelle werden Annahmen aufgestellt und individuelle Finanzszenarien simuliert. Treiberbasierte Simulation kann effizient helfen, die Unternehmensstrategie umzusetzen und wichtige Entscheidungen zu treffen, bei Bedarf direkt in Campus-Planungsrunden oder Management-meetings.
Das zeitfressende Schreiben von seitenlangen Berichten kann in den Hintergrund gestellt werden, indem sich vermehrt auf die Möglichkeiten der operativen Steuerung konzentriert wird. Thalia Bücher, die Commerzbank AG und Volkswagen Nutzfahrzeuge sind spannende Unternehmensbeispiele, die zeigen, inwiefern neue Methoden und Tools der agilen Unternehmenssteuerung zentrale Prozesse optimieren können.
Neue Rollen der Controller:innen – vom Zahlenschieben zur strategischen Beratung?
Die Rolle des Controllings in Unternehmen hat sich weiterentwickelt – es muss flexibler und aktiver werden. Controlling meint nicht mehr das statische Einsammeln, Überprüfen und Analysieren wichtiger Finanzkennzahlen, sondern hat sich zu einem aktiven operativen und handlungsleitenden Bereich in der Unternehmensstruktur entwickelt. Gemäß den wachsenden Anforderungen an das Controlling hat sich auch das herkömmliche Berufsbild der Controller:innen weiterentwickelt. In früheren Zeiten war das Controlling-Rollenbild geprägt durch komplexes und kleinteiliges Analysieren und Planen, das meist mithilfe von Excel-Listen durchgeführt wurde. Das Zusammentragen der Daten aus verschiedenen Geschäftsbereichen hat häufig enorme Zeit in Anspruch genommen und so spontane Eingriffe in die strategische und operative Planung und Steuerung fast unmöglich gemacht.
In der aktuellen Zeit ist Anpassungsfähigkeit allerdings wichtiger denn je – so wurden Controlling-Methoden entwickelt, die das endlose und zeitintensive Zahlenschieben in Excel obsolet werden lassen. Durch innovative Technologien, wie Machine Learning oder künstliche Intelligenz, ist es möglich, große Datenmengen schnell und zuverlässig auszuwerten. Die Controller:innen sind daher nicht mehr nur für das Bereitstellen von Zahlen zuständig. Ihre Funktion im Unternehmen und ihr Rollenbild haben sich erweitert: In der aktuellen Zeit nehmen Controller:innen häufig eine beratende Rolle ein, sie wirken als Business Partner für die Geschäftsführung. Um bei strategischen Entscheidungen zu unterstützen, werden Controller:innen auch zunehmend zu Data Scientists – die Analyse und Verwendung vorhandener Daten sind für die agile Unternehmenssteuerung von großer Wichtigkeit. Controller:innen der Zukunft haben demnach eine größere Verantwortung, einen erweiterten Handlungsspielraum und somit auch eine wichtigere Bedeutung für das gesamte Unternehmen.
Wie sieht die Zukunft der Unternehmenssteuerung aus?
Moderne, agile Unternehmenssteuerung muss Vieles leisten und deckt ein großes Aufgabenspektrum ab. Sie umfasst nicht mehr nur die klassischen Analyseaufgaben, sondern ist breitgefächert und damit auch relevanter. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, haben sich auch die Strukturen und Prozesse der Unternehmenssteuerung weiterentwickelt. Die agile Unternehmenssteuerung meint ein flexibles und ganzheitliches Zusammenwirken von Analyse, Kontrolle, Planung, Steuerung und Koordination und das Einnehmen einer Experten-Rolle in Form von Beratungstätigkeiten fürs Management. Die Komplexität eines Unternehmens soll in voller Gänze erfasst und so berücksichtigt werden. So können individuelle Ziele und Maßnahmenpläne für die jeweiligen Unternehmen ausgearbeitet werden, die die kollektive Grundlage für Entscheidungen für das gesamte Unternehmen bilden.
Statische und detaillierte Planung soll bei der agilen Unternehmenssteuerung in den Hintergrund rücken und dynamische strategische Planung wird vermehrt eingesetzt. Außerdem ist es wichtig, die geplante Zielsetzung stetig auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen und zu aktualisieren. Kurzfristige Planung für einzelne Monate oder Quartale kann vermehrt von automatisierten Systemen übernommen und digitalisiert durchgeführt werden. Agilität und Flexibilität sind dabei wichtige Pfeiler, die durch neue und moderne Methoden umgesetzt werden können. Ein Umdenken muss in der Zukunft der modernen Unternehmenssteuerung stattfinden, um Analyse-, Planungs- und Koordinationsprozesse beweglich zu gestalten und aktiv zu verändern – so können die genannten Prozesse optimiert und der Unternehmenserfolg gesteigert werden.